Revision des Arbeitsschutzrechts per 1. Juli 2023
Seit dem 1. Juli 2023 gelten für Betriebe der Informations- und Kommunikationstechnologie flexiblere Höchstarbeitszeitregelungen. Für Dienstleistungsbetriebe in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung besteht die neu geschaffene Möglichkeit, mit ihren Arbeitnehmenden ein Jahresarbeitsmodell zu vereinbaren. Die Anpassungen erhöhen die Flexibilität der Arbeitserbringung und sind zu begrüssen. Zu beachten ist die Einhaltung der konkret anwendbaren Schutzvorschriften.
1. Flexiblere Höchstarbeitszeit für IKT-Betriebe
In Betrieben der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und für die in ihnen mit projektbezogenen oder termingebundenen IKT-Tätigkeiten beschäftigten erwachsenen Arbeitnehmende darf der Zeitraum der Tages- und Abendarbeit, mit Einschluss der Pausen und der Überzeitarbeit, auf höchstens 17 Stunden verlängert werden. Durch die Flexibilisierung wird die zulässige maximale Arbeitszeit um 3 Stunden verlängert, sofern dies im Rahmen internationaler Zusammenarbeit oder für dringende, nicht voraussehbare Tätigkeiten erforderlich ist (Art. 32b ArGV 2; SR 822.112). Die tägliche Ruhezeit muss mindestens 9 Stunden (statt 11 Stunden) sowie im Durchschnitt von vier Wochen 11 Stunden betragen (Art. 32b Abs. 2 lit. a ArGV 2). Die Ruhezeit kann durch Arbeitszeit unterbrochen werden. Analog zur Regelung bei Piketteinsätzen muss diesfalls die Ruhezeit im restlichen Umfang nachgewährt werden. Kann eine minimale Ruhezeit von vier aufeinander folgenden Stunden nicht erreicht werden, so muss im Anschluss an den letzten Arbeitseinsatz die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden nachgewährt werden (Art. 32b Abs. 2 lit. b ArGV 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 ArGV 1; SR 822.111). Als IKT-Betriebe gelten Betriebe, die Dritten IKT-Produkte oder -Dienstleistungen anbieten, wie die Entwicklung, die Anpassung, das Testen und die Pflege von Software, die Planung und den Entwurf von Computersystemen, welche Hardware-, Software- und Kommunikationstechnologie umfassen, und die Verwaltung und den Betrieb solcher Computersysteme oder anderer Datenverarbeitungsanlagen eines Kunden vor Ort (Art. 32b ArGV 2).
2. Jahresarbeitszeitmodell für die Dienstleistungsbranche
Betriebe, die hauptsächlich Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Treuhand oder Steuerberatung anbieten, dürfen erwachsene Arbeitnehmende unter gewissen Voraussetzungen neu in einem Jahresarbeitszeitmodell beschäftigen (Art. 34a Abs. 1 ArGV 2). Voraussetzung ist eine grosse Autonomie der Arbeitnehmenden bei der Festlegung ihrer Arbeitszeit. Die Arbeitnehmenden müssen zudem Vorgesetzte oder Fachspezialisten sein und ein Bruttojahreseinkommen von mehr als CHF 120'000 (pro rata) aufweisen oder über einen Abschluss auf Bachelorstufe oder auf Berufsbildungsstufe 6 (von 8 Stufen) oder einen gleichwertigen Bildungsabschluss verfügen.
Die Beschäftigung in einem Jahresarbeitszeitmodell muss schriftlich vereinbart werden. Festzulegen sind insbesondere die Anzahl der pro Jahr zu leistenden Stunden (i.e. Jahresstundensoll) und die Art der Kompensation der darüber hinaus geleisteten Stunden. Die Parteien können die Vereinbarung jederzeit mit einer Frist von drei Monaten auf Ende eines Monats widerrufen (Art. 34a Abs. 2 ArGV 2). Zudem müssen die Arbeitgeber unter Mitwirkung der Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmervertretung Präventionsmassnahmen im Bereich des Gesundheitsschutzes treffen (Art. 34a Abs. 2 ArGV 2) und zahlreiche Sondervorschriften in Bezug auf die Arbeitsleistung einhalten (Art. 34a Abs. 3 ArGV 2):
Die wöchentliche Höchstarbeitszeit beträgt 63 Stunden, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit pro Jahr 45 Stunden.
Der positive Jahresarbeitszeitsaldo (i.e geleistete Jahresarbeitszeit ./. Jahresstundensoll) darf 170 Stunden pro Jahr nicht überschreiten. Diese Mehrarbeitsstunden sind im Folgejahr durch Freizeit im Verhältnis 1:1 zu kompensieren oder mit einem Zuschlag von 25% auszubezahlen.
Die tägliche Ruhezeit muss im Vierwochendurchschnitt 11 Stunden, pro Arbeitstag mindestens 9 Stunden betragen. Die Ruhezeit kann unterbrochen werden (analog der Regelung gemäss Ziff. 1).
Sonntagsarbeit ist an höchstens 9 Sonntagen während maximal 5 Stunden ohne Bewilligung zulässig.
Die Arbeitszeit ist zu erfassen.
3. Ausblick
Per 1. September 2023 wird das revidierte Datenschutzgesetz (DSG) in Kraft treten. Das neue DSG stärkt grundsätzlich die datenspezifischen Rechte der Arbeitnehmer. Aus Sicht des Arbeitgebers empfiehlt es sich, die internen Regelungen und Prozesse auf ihre Vereinbarkeit mit dem DSG zu überprüfen. Zu beachten ist auch, dass sich Arbeitgeber im Rahmen von arbeitsrechtlichen Prozessen gemäss der jüngsten Rechtsprechung gegen ungerechtfertigte Auskunftsbegehren zur Wehr setzen können. Entsprechend empfehle ich im Zweifelsfall vorgängig abzuklären, ob tatsächlich Informationen an den klagewilligen Arbeitnehmer herauszugeben sind.
Bei Fragen zu arbeitsrechtlichen Themen wenden Sie sich gerne an Emanuel Tschannen.