Lohnfortzahlungspflicht bei Einreise aus Risikogebiet?
Der Bund stützt die Anordnung der Quarantänepflicht auf Art. 35 Epidemiengesetz (EpG). Die Einzelheiten sind in der Covid-19-Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs geregelt. Wer aus bestimmten Gebieten mit erhöhtem Infektionsrisiko (Risikogebiet) in die Schweiz einreist, muss sich in eine zehn tägige Quarantäne begeben. Gewisse Einreisende sind nach Art. 4 der genannten Verordnung von der Quarantänepflicht ausgenommen (z. B. Fernfahrer etc.). Die betroffenen Einreisenden haben sich innert zwei Tagen bei der zuständigen kantonalen Behörde zu melden.
Wer gegen die Quarantäne- oder Meldepflicht verstösst, begeht eine Übertretung, die mit Busse von bis zu CHF 10’000 geahndet werden kann.
Bei quarantänepflichtigen Arbeitnehmenden und deren Arbeitgebenden dürfte sich vermehrt die Frage der Lohnfortzahlungspflicht stellen.
Klar ist, dass Arbeitgebende, die Arbeitnehmende in ein Risikogebiet entsenden, den Lohn für die Quarantänedauer auszurichten haben. Die Arbeitsverhinderung tritt in diesen Fällen ohne Verschulden der Arbeitnehmenden ein (Art. 324 und Art. 324a OR).
Arbeitnehmende die sich in ein Risikogebiet begeben, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung durch die Arbeitgebenden. Der Grund dafür ist, dass die Arbeitsverhinderung (durch die notwendige Quarantäne) in diesem Fall nicht unverschuldet erfolgt. Erfolgt der Aufenthalt in einem Risikogebiet hingegen aufgrund zwingender persönlicher Gründe (z. B. familiäre Notfälle), lässt sich die Reise rechtfertigen und es liegt kein Verschulden des Arbeitnehmenden vor. Keine Arbeitsverhinderung liegt vor, wenn die Arbeitnehmenden die Arbeit in Quarantäne, sprich von zu Hause aus erledigen können (Home Office). Der Lohn ist in diesen Fällen geschuldet.
Für Unklarheiten und Streitigkeiten dürften diejenigen Fälle sorgen, in welchen Arbeitnehmende (ohne Entsendung durch Arbeitgebende oder Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes) in ein Gebiet einreisen, das zum Zeitpunkt der Einreise noch nicht als Risikogebiet gilt, aber während des Aufenthaltes als Risikogebiet eingestuft wird. Aktuell stellt sich diese Frage bei den neuesten Risikogebieten Mexiko, Luxemburg und Bosnien-Herzegowina. Wer seit dem 23. Juli 2020 aus einem dieser Länder einreist, muss die Quarantänepflicht ebenfalls einhalten. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass bei weltweit steigenden Fallzahlen die Liste der Risikogebiete künftig durch weitere Gebiete erweitert werden wird.
Eine eindeutige juristische Antwort auf die Frage, ob die Arbeitgebenden den Lohn während der Quarantäne von Arbeitnehmenden zahlen müssen, die in ein Gebiet eingereist sind, das im Zeitpunkt der Abreise noch nicht als Risikogebiet gegolten hat, aber als ein solches während der Dauer des Aufenthaltes umqualifiziert wurde, gibt es leider nicht. Massgebend dürften die Umstände des Einzelfalles sein: Musste im Zeitpunkt der Abreise vernünftigerweise damit gerechnet werden, dass demnächst eine Umqualifizierung zum Risikogebiet stattfindet? Falls ja, aufgrund welcher Faktoren muss damit gerechnet werden und wann gilt dies als Verschulden der Arbeitnehmenden? Arbeitgebende dürften sich Fragen, wieso sie das finanzielle Risiko einer Umqualifikation durch den Bund für ihre Arbeitnehmenden (z. B. während deren Ferien) tragen sollen.
Aus rechtsstaatlicher Sicht zu begrüssen ist, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) klargestellt hat, dass die Quarantänepflicht eines Risikogebietes ab Inkrafttreten der jeweiligen Länderliste der Covid-19-Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs gilt. Dies entgegen der Ansicht des Corona-Beauftragten des Bundes, Stefan Kuster, der an der Pressekonferenz der Ansicht war, die Verordnung gelte auch rückwirkend.
Die Liste der Risikogebiete findet sich hier.
Für weitergehende Auskünfte in dieser Thematik wenden Sie sich bitte direkt an Sebastian Wälti.