Schuldenruf in der definitiven Nachlassstundung
In diesem Beitrag wird insbesondere der Schuldenruf in der definitiven Nachlassstundung thematisiert. Einen Überblick über die Nachlassstundung im Allgemeinen und die Rolle des Sachwalters finden Sie im Beitrag «Nachlassstundung: Weg zur finanziellen Sanierung» von Balthasar Wicki.
1. Bewilligung der definitiven Stundung
Bei Ablauf der provisorischen Nachlassstundung hat das Nachlassgericht darüber zu entscheiden, ob es die definitive Nachlassstundung gewährt, den Konkurs über die Schuldnerin eröffnet oder die Nachlassstundung aufgrund erfolgreicher Sanierung aufhebt. Besteht zu diesem Zeitpunkt weiterhin die Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrags, so bewilligt das Nachlassgericht die definitive Nachlassstundung. Fehlen diese Voraussetzungen, so hat das Nachlassgericht den Konkurs über die Schuldnerin zu eröffnen. Das Gericht stützt sich bei seinem Entscheid unter anderem auf den Bericht des provisorischen Sachwalters.
Sind die Voraussetzungen für die definitive Nachlassstundung gegeben, so bewilligt das Nachlassgericht der Schuldnerin die definitive Stundung für eine Dauer von vier bis sechs Monaten und setzt den definitiven Sachwalter ein. In der Regel ist dies derselbe wie der provisorische Sachwalter. Auf Antrag des Sachwalters kann die definitive Stundung in besonders komplexen Fällen auf bis zu 24 Monate verlängert werden. Die definitive Stundung bietet der Schuldnerin die Möglichkeit, den Sanierungsplan umzusetzen bzw. den Nachlassvertrag auszuarbeiten und den Gläubigern zur Zustimmung vorzulegen.
Bevor ein Nachlassvertrag jedoch zustande kommen kann, muss der Sachwalter zunächst den Schuldenruf durchführen, die Forderungen prüfen und das Forderungsverzeichnis erstellen.
2. Schuldenruf (Art. 300 SchKG)
Der Schuldenruf beginnt mit der öffentlichen Bekanntmachung, die sowohl im Schweizerischen Handelsamtsblatt ("SHAB") und dem kantonalen Amtsblatt am Sitz der Schuldnerin publiziert wird. Mit dieser Bekanntmachung werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb der Eingabefrist beim Sachwalter anzumelden. Die Aufforderung wird mit der Androhung verbunden, dass die Gläubiger im Unterlassungsfall bei den Verhandlungen über den Nachlassvertrag nicht stimmberechtigt sind. Gläubigern, deren Name und Wohnort dem Sachwalter bereits bekannt sind, wird die Bekanntmachung ebenfalls durch uneingeschriebenen Brief zugestellt.
2.1 Frist zur Anmeldung der Forderungen
Die Frist zur Anmeldung der Forderungen im Rahmen des Schuldenrufs beträgt einen Monat. Massgeblich für den Fristbeginn ist die Publikation des Schuldenrufs im SHAB. Der Fristenlauf beginnt folglich am Tag der Publikation im SHAB. Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Forderungsanmeldung am letzten Tag beim Sachwalter eingereicht wurde oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post übergeben wurde. Dabei ist das Datum des Poststempels massgebend.
Verpasst ein Gläubiger die Frist zur Anmeldung seiner Forderungen, so ist dieser Gläubiger bei der Zustimmung zum Nachlassvertrag nicht stimmberechtigt. Die zu spät angemeldeten Forderungen werden folglich bei der Berechnung des Quorums zur Zustimmung zum Nachlassvertrag nicht berücksichtigt und die Gläubiger sind nicht zur Teilnahme an der Abstimmung berechtigt. Kommt ein Nachlassvertrag zustande und wird vom Nachlassgericht genehmigt, so ist dieser jedoch für sämtliche Gläubiger verbindlich, deren Forderungen vor der Bewilligung der Nachlassstundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind. Dabei ist unerheblich, ob die Gläubiger dem Nachlassvertrag zugestimmt haben oder nicht. Dementsprechend ist der Nachlassvertrag auch für diejenigen Gläubiger verbindlich, die die Frist zur Forderungsanmeldung verpasst haben.
2.2 Welche Forderungen müssen angemeldet werden?
Der Schuldenruf richtet sich insbesondere an Gläubiger, deren Forderungen bereits vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung bestanden oder im Verlauf der Nachlassstundung ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind. Diese Forderungen werden im Nachlassvertrag als Nachlassforderungen erfasst sein. Anzumelden sind auch privilegierte Forderungen, Pfandforderungen, Eventualforderungen oder etwa Forderungen, die zur Verrechnung gebracht werden wollen. Privilegierte Forderungen und Pfandforderungen müssen mit dem Hinweis auf das Privileg bzw. unter Angabe der Pfandsicherheit angemeldet werden. Forderungen, die sich bereits aus den Büchern des Schuldners ergeben, sind ebenfalls im Rahmen des Schuldenrufes anzumelden. Das Unterlassen hat den Verlust der Stimmberechtigung bei den Verhandlungen über den Nachlassvertrag zur Folge, jedoch nicht die Verbindlichkeit des Nachlassvertrages.
2.3 Form und Inhalt der Forderungsanmeldung
Die Forderungsanmeldung hat schriftlich zu erfolgen. Aus Beweisgründen wird empfohlen, die Forderungsanmeldung per eingeschriebenem Brief an die in der Bekanntmachung genannte Adresse, in der Regel diejenige des Sachwalters, zu senden.
Die Forderungsanmeldung sollte mindestens die folgenden Angaben enthalten: Genaue Angaben der Schuldnerin und des Gläubigers mit Adresse und Kontaktangaben, den Forderungsgrund und den Wert der Forderung per Datum der provisorischen Nachlassstundung, eine gesonderte Zinsberechnung per provisorisches Stundungsdatum, die Bezeichnung allfälliger Privilegien und eine rechtsgültige Unterschrift. Der Forderungsanmeldung sind zwingend die Beweismittel beizulegen.
Im Anschluss gibt die Schuldnerin eine Erklärung zu den eingegangenen Forderungen ab. Die Erklärung der Schuldnerin beinhaltet die Anerkennung oder Bestreitung der eingereichten Forderungen. Die Forderungen sowie die Erklärungen der Schuldnerin werden vom Sachwalter in das Forderungsverzeichnis aufgenommen.
2.4 Stimmberechtigung bei Zustimmung zum Nachlassvertrag
Sobald der finale Entwurf des Nachlassvertrages vorliegt, wird dieser der Gläubigerversammlung zur Abstimmung vorgelegt. Stimmberechtigt sind nur Gläubiger der 3. Klasse, da diese mit dem Nachlassvertrag auf einen Teil ihrer Forderung verzichten. Nicht stimmberechtigt sind dagegen privilegierte Gläubiger, da deren Forderungen ohnehin vollständig befriedigt werden müssen. Zu den privilegierten Gläubigern zählen Gläubiger von privilegierten Forderungen, also Forderungen der ersten und zweiten Klasse. Die Gläubiger, denen kein Stimmrecht zukommt, müssen ihre Forderung dennoch im Schuldenruf anmelden.
3. Nachlassvertrag
Es gibt zwei Arten von Nachlassverträgen, einerseits den ordentlichen Nachlassvertrag und andererseits den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Der Nachlassvertrag wird grundsätzlich vom Schuldner entworfen, mit dem Ziel, einen möglichst konsensfähigen Nachlassvertrag auszuarbeiten, der sowohl die Interessen der Schilderin als auch der Gläubiger berücksichtigt.
3.1 Ordentlicher Nachlassvertrag
Der ordentliche Nachlassvertrag umfasst den Prozent- bzw. Dividendenvergleich sowie den Stundungsvergleich. Beim ordentlichen Nachlassvertrag soll erreicht werden, dass die nicht privilegierten und nicht pfandgesicherten Gläubiger eine ihnen angebotene Nachlassdividende (Dividendenvergleich) oder eine neue Zahlungsfrist (Stundungsvergleich) akzeptieren und so der Schuldnerin die Sanierung und die Fortführung ihres Unternehmens ermöglichen. In der Praxis ist eine Kombination von Dividenden- und Stundungsvergleich üblich.
3.2 Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung wird den Nachlassgläubigern das Verfügungsrecht über das ganze Vermögen der Schuldnerin oder Teile davon eingeräumt oder das Vermögen an einen Dritten abgetreten. Im Gegenzug verzichten die Nachlassgläubiger auf den Teil ihrer Forderung, der durch die Liquidation nicht gedeckt werden kann. Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung führt ähnlich wie der Konkurs zur vollständigen oder teilweisen Liquidation der Schuldnerin. Im Vergleich zum Konkurs ist der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung flexibel, was der Schuldnerin beispielsweise auch ermöglicht, nur einen Teil des Betriebes zu sanieren und unrentable Betriebsteile zu liquidieren.
Bei Fragen zum Thema Nachlassstundung stehen Ihnen Balthasar Wicki, Vivien Keiser und Roch Zufferey gerne zur Verfügung.