Photovoltaikanlagen – eine sachenrechtliche Betrachtung
Der Einsatz von erneuerbaren Energien wird von Bund und Kantonen durch diverse Massnahmen und Anreize gefördert. Die Energiegesetzgebung sieht beispielsweise vor, dass Netzbetreiber die ihnen angebotene Elektrizität aus erneuerbaren Energien abzunehmen und zu vergüten haben. Wer folglich selbst produzierten Strom einspeisen kann, wird finanziell dafür entschädigt. Im Baurecht ist die Errichtung von Photovoltaikanlagen zudem bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen von der Bewilligungspflicht befreit und auch steuerrechtlich wurden Anreize gesetzt.
Was sind Photovoltaikanlagen?
Photovoltaikanlagen ("PVA") sind Solaranlagen, die Sonnenstrahlen in elektrische Energie umwandeln und sie damit nutzbar machen. PVAs können entweder in ein Gebäude integriert (z.B. in Dacheindeckungen, in Fassadenverkleidungen oder Balkonbrüstungen), auf ein solches montiert (z.B. als Aufdachmontagen) oder aber als Freiflächenanlage auf freiem Boden errichtet werden.
Bei gebäudeintegrierten Anlagen werden Teile der Gebäudehülle durch Solarmodule ersetzt, während bei additiven Anlagen Solarmodule meist auf einer Unterkonstruktion auf oder an einem Gebäude befestigt werden. Bei Flachdächern ist zum Teil eine Erstellung ohne Befestigung am Dach selbst möglich. Solche (additiven) Solarmodule ersetzen, im Gegensatz zu den gebäudeintegrierten Anlagen, keine Teile der Gebäudehülle.
Bei Freilandanlagen werden Solarmodule auf einer Unterkonstruktion auf dem Boden platziert. Freilandanlagen haben aktuell in der Schweiz - nicht zuletzt aufgrund der Knappheit an freien Flächen - keine grosse Bedeutung, weshalb sie auch in diesem Artikel nicht näher beleuchtet werden.
Wird die PVA an das Stromnetz angeschlossen und damit ermöglicht, dass der erzeugte Strom direkt in das Stromnetz eingespiesen wird, spricht man von Netzverbundanlagen. Bei Netzverbundanlagen entfällt die Notwendigkeit der Zwischenspeicherung des Solarstroms, da dieser sofort genutzt werden kann. Sind die PVA hingegen nicht an das Stromnetz angeschlossen und dienen sie entsprechend einzig dem Eigenbedarf, werden sie als Inselanlagen bezeichnet.
Sachenrechtliche Problematik
Das Schweizer Sachenrecht kennt das Akzessionsprinzip. Gemäss diesem ist, wer Eigentümer einer Sache ("Hauptsache") ist, ebenfalls Eigentümer an all ihren Bestandteilen. Dem Bestandteil kommt folglich kein eigenes rechtliches Schicksal zu, sondern der Eigentümer der Hauptsache wird zwingend auch Eigentümer des Bestandteils.
Bestandteil ist dabei alles, was (i) nach der am Ort üblichen Auffassung zum Bestand einer Hauptsache gehört und (ii) ohne ihre Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung nicht abgetrennt werden kann. Verwendet jemand beispielsweise zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material oder eigenes Material auf fremdem Boden, wird es zum Bestandteil des Grundstücks. Die Bestandseigenschaft entsteht von Gesetzes wegen und ist zwingender Natur, d.h. auch vertraglich abweichende Vereinbarungen vermögen das Akzessionsprinzip nicht zu durchbrechen.
Der am Ort üblichen Auffassung wird als Kriterium Rechnung getragen, indem dieses zur Hilfe genommen wird, wenn die restlichen Kriterien keine klare Bestimmung zulassen und es folglich gesetzliche Erfordernisse näher zu bestimmen gilt. Das Kriterium der Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der Hauptsache setzt voraus, dass zwischen dem Bestandteil und der Hauptsache eine äussere und innere Verbindung besteht. Die innere Verbindung wird bejaht, wenn das Bestandteil mit der Hauptsache eine bestimmungsgemässe Einheit bildet oder zwischen ihnen eine Zweckbindung besteht. Zudem muss die Verbindung dauerhaft sein, wobei der erkennbare Willen der Parteien entscheidend ist. Die Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung ist zudem lediglich entscheidend, wenn sie die Hauptsache betrifft.
Im Gegensatz zu den Bestandteilen, stehen körperliche Sachen, die nicht fest mit dem Boden verbunden sind und deren räumliche Lage ohne Substanzverlust geändert werden kann. Als sogenannte Fahrnis behalten beispielsweise Hütten, Baracken oder Buden ihre Eigentümer, wenn sie ohne Absicht bleibender Verbindung auf fremden Grund errichtet sind. Entscheidend sind die Absicht der Beteiligten, die konkrete Art der Baute sowie die Intensität der Verbindung mit dem Boden.
Solaranlagen auf fremden Gebäuden
Wenn eine PVA gekauft wird, sind damit relativ hohe Anschaffungskosten sowie anschliessend auch wiederkehrende Betriebskosten fällig. Bis zur Amortisation der Anlage vergehen einige Jahre. Dies führt dazu, dass immer mehr Finanzierungsalternativen angeboten werden. Wenn man das Kapital für den Kauf und/oder den Betrieb nicht aufwenden kann oder möchte, kann man PVA's beispielsweise alternativ mieten, leasen oder im Rahmen eines Contractings nutzen. Bei diesen Lösungen ist stets im Hinterkopf zu behalten, wem das Eigentum an der Anlage zukommen soll. Aufgrund des Akzessionsprinzip stellt sich aus sachenrechtlicher Sicht konkret die Frage, ob Solaranlagen als Fahrnis gelten können oder, ob sie automatisch ins Eigentum des Gebäudeeigentümers übergehen, und was entsprechend getan werden könnte, um letzteres zu verhindern.
Die korrekte Vertragsausgestaltung zwischen Anlageanbieter und Anlagenutzer hängt entscheidend von der sachenrechtlichen Qualifikation der PVA sowie der gewünschten Eigentümerstellung im Einzelfall ab.
Sachenrechtliche Qualifikation der PVA
Bevor die Solaranlagen montiert werden, gelten sie allesamt als körperliche Sachen. Sie können folglich per se sowohl als Bestandteile wie auch als Fahrnis qualifiziert werden. Entscheidend ist die Anbringung der PVA im Einzelfall.
Gebäudeintegrierte Anlagen
Bei gebäudeintegrierten Anlagen werden Teile der Gebäudehülle durch Solarmodule ersetzt. Bei ihrer Entfernung ist die Funktionstüchtigkeit des Gebäudes folglich nicht mehr gewährleistet. Zudem werden meist Stromleitungen und Kabel von den Solarmodulen ins Gebäudeinnere geführt, um die technischen Einrichtungen und Vorrichtungen der Solaranlage mit Strom zu speisen. Es ist sowohl eine äussere wie auch innere Verbindung zwischen der Solaranlage zum Gebäude zu bejahen.
Zudem ist im Normalfall wohl auch von einer Dauerhaftigkeit der Verbindung auszugehen, wird im mit der Errichtung einer kostenintensiven PVA wohl üblicherweise eine längerfristige Amortisation angestrebt. Entscheidend dafür, ob von einer Dauerhaftigkeit der Verbindung auszugehen ist, ist der erkennbare Parteiwillen.
Gebäudeintegrierte Anlagen stellen folglich Bestandteile eines Gebäudes dar. Hierfür spricht im Kanton Zürich auch das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch des Kantons Zürich ("EG ZGB"). Dieses hält in §135 Abs. 1 EG ZGB fest, dass mit dem Gebäude baulich verbundene Einrichtungen, wie Triebwerke, Aufzüge, elektrische Leitungen, Kessel, Ventilatoren etc. nach Ortsgebrauch als Bestandteile gelten.
Additive Anlagen
Additive Solarmodule werden meist mittels einer Unterkonstruktion, welche Montageprofile und Einlegeschienen umfasst, fest am Dach verankert. Das Erfordernis der äusseren Verbindung kann aber auch bereits erfüllt sein, wenn die Verbindung lediglich aufgrund der Schwerkraft besteht. Zusätzlich zu den Solarmodulen müssen aber auch Verbindungsleitungen von den Solarmodulen bis zum Wechselrichtersystem oder zu den Akkus erstellt werden. Damit der Strom anschliessend von diesen in die Elektroanlage integriert werden kann, ist zudem allenfalls der Einbau einer neuen Anlage notwendig. Insbesondere bei den letzten genannten Montageschritten ist eine gewisse Einwirkung auf das Gebäude im Normalfall nicht zu vermeiden.
Damit das Element der inneren Verbindung bejaht werden kann, muss das betreffende Teil mit der Hauptsache eine bestimmungsgemässe Einheit bildet oder zwischen ihnen eine Zweckbindung bestehen. Dieses Kriterium ist insbesondere entscheidend, wenn die Hauptsache bei der Trennung vom Teil nicht zerstört oder beschädigt wird, sondern nur verändert. Wird der wirtschaftliche Wert der Hauptsache durch die Trennung verringert, genügt dies bereits, um eine Veränderung und damit eine innere Verbindung zu bejahen.
Wenn mit einer PVA den kompletten oder auch nur teilweise Strombedarf des Gebäudes abgedeckt wird auf der die Anlage errichtet ist, ist die Zweckbindung wohl zu bejahen. Insbesondere, weil der wirtschaftliche Wert des Gebäudes durch die Entfernung der Anlage verringert wird. Das gleiche gilt wohl auch, wenn die PVA einzig der Einspeisung des Stroms in das Stromnetz dient. Denn immerhin erhält der Eigentümer für den eingespiesenen Strom eine Vergütung, womit der wirtschaftliche Wert des Gebäudes mit der PVA steigt.
Ob die Verbindung zudem dauerhaft ist, hängt von Parteiwillen ab. Die Dauerhaftigkeit ist wohl zu verneinen, wenn die Parteien vertraglich festhalten, dass die PVA für eine bestimmte Dauer errichtet sowie genutzt werden kann und nach Ablauf der Dauer wieder entfernt wird.
Was, wenn der Nutzer oder Eigentümer der PVA nicht (nur) der Gebäudeeigentümer sein soll?
Sollte die PVA als Bestandteil qualifizieren und sich das Eigentum des Grundeigentümers damit aufgrund des Akzessionsprinzips auch auf die PVA erstrecken, gibt es rechtliche Möglichkeiten, wie die Nutzung oder gar das Eigentum an der PVA durch Dritte sichergestellt werden kann.
Von Interesse sind diesbezüglich insbesondere die Personaldienstbarkeiten, wie z.B. das Baurecht, oder Dienstbarkeiten, welche dem Quellenrecht nachempfunden sind. Gerne können wir Sie diesbezüglich beraten.
Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen Balthasar Wicki und Vivien Keiser gerne zur Verfügung.