Vorübergehender Rechtsstillstand im Betreibungswesen

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Am 18. März 2020 hat der Bundesrat gestützt auf Art. 62 SchKG eine Verordnung erlassen, welche für das gesamte Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Rechtsstillstand gemäss Art. 62 SchKG verordnet. Art. 62 SchKG ermächtigt den Bundesrat im Falle einer Epidemie oder eines Landesunglücks sowie in Kriegszeiten zum Beschluss des Rechtsstillstandes für ein bestimmtes Gebiet oder für bestimmte Teile der Bevölkerung. In neuerer Zeit gelangte Art. 62 SchKG im Jahre 1993 aufgrund der Überschwemmung in Brig im Kanton Wallis zur Anwendung. 

In Kraft getreten ist die Verordnung am 19. März 2020 um 7 Uhr und sie gilt bis zum 4. April 2020 um 24 Uhr. 

Tragweite 

Der verfügte Rechtsstillstand hat zur Folge, dass während dessen Dauer gegen einen Schuldner mit Sitz oder Wohnsitz in der Schweiz keine Betreibungshandlungen vorgenommen werden dürfen (Art. 56 Ziff. 3 SchKG). Dieser Schuldnerschutz gilt nicht unbeschränkt: Arrestverfahren oder dringende sichernde Massnahmen sind davon explizit ausgenommen. Insbesondere letztere verlangen nach einer Beurteilung im Einzelfall. Was genau unter dem Begriff «Betreibungshandlung» zu verstehen ist, wird vom Gesetz nicht weiter definiert. Die Definition des Bundesgerichts lautet wie folgt: «wenn eine Amtshandlung der hierfür zuständigen Behörde den Betreibenden seinem Ziel näherbringt und in die Rechtsstellung des Schuldners eingreift» (BGE 121 III 91 E. 6c.aa). Eine offensichtliche Betreibungshandlung ist demnach die Zustellung eines Zahlungsbefehls.  

Wirkung 

Nach der Rechtsprechung sind während eines Rechtsstillstands vorgenommene Betreibungshandlungen nicht in jedem Fall nichtig. Sie entfalten ihre Wirkung jedoch erst nach Ablauf des Rechtsstillstandes. 

Bis am 19. April 2020 haben Schuldner Ruhe vor Betreibungshandlungen.
— RA Sebastian Wälti

Für die laufenden Rechtsmittelfristen des SchKG kommt unserer Ansicht nach Art. 63 SchKG zur Anwendung, da weder in Art. 62 SchKG noch in der am 18 März 2020 vom Bundesrat erlassenen Verordnung weiterführende Ausführungen zu finden sind. Dadurch wird der Fristenlauf durch den vom Bundesrat verfügten Rechtsstillstand nicht gehemmt. Endet eine Frist in der Zeit des Rechtsstillstandes, so wird die Frist bis zum dritten Tag nach deren Ende verlängert, wobei Samstag und Sonntag sowie staatlich anerkannte Feiertage nicht mitgezählt werden. Dadurch läuft eine Frist am dritten Werktag nach dem Rechtsstillstand ab. Für den vom Bundesrat am 18. März 2020 verfügten Rechtsstillstand laufen die Fristen, welche während des Rechtsstillstandes enden bis am Mittwoch, 8. April 2020. Danach gelten die gesetzlichen Betreibungsferien (sieben Tage vor und sieben Tage nach Ostern), was dazu führt, dass faktisch vom 19. März bis 19. April 2020 keine Betreibungshandlungen vorgenommen werden können (vgl. Art. 56 Ziff. 2 SchKG). Wie sich dieser vierwöchige Betreibungsstopp auf die Zahlungsmoral der Schuldner auswirken wird, bleibt abzuwarten.  

Verjährungsunterbrechung 

Eine weitere Fragestellung, die sich durch die Verordnung vom 18. März 2020 ergibt, ist, inwiefern der verordnete Rechtsstillstand einen Einfluss auf die Verjährungsunterbrechung durch «Schuldbetreibung» gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR hat. In diesem Zusammenhang sind wir der Ansicht, dass die Verordnung keinen Einfluss haben dürfte, weil die Unterbrechung der Verjährung mit Postaufgabe des Betreibungsbegehrens eintritt. Eine Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner ist nicht erforderlich und demzufolge kann die Unterbrechung der Verjährung unabhängig einer Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56 SchKG erreicht werden. 

Für alle Fragen rund um das Thema steht Ihnen Balthasar Wicki gerne als direkter Ansprechpartner zur Verfügung.