Elektronische oder schriftliche GV bei allen juristischen Personen vorübergehend zulässig

Aus gesellschaftsrechtlicher Optik ist Art. 6a der COVID-19-Verordnung 2 (Änderung vom 16.03.2020) bemerkenswert: per Notrecht wird die Zulässigkeit von elektronisch oder schriftlich abgehaltenen «Versammlungen» verfügt, oder Versammlungen per Vollmacht.

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Der offenbar in letzter Minute eingefügte Artikel spricht zwar nur von «Gesellschaften», dies ist wohl ein Ergebnis der Eile. Wenn diese Erleichterungen bei Versammlungen von «Gesellschaften» zulässig sind, die generell gesetzlich detailliert reguliert sind, dann müssen sie auch bei den weniger stark regulierten Vereinen, Genossenschaften und Stiftungen zulässig sein. In rechtlicher Hinsicht spricht man von einer Argumentation, die sich aus dem Grundsatz ‘argumentum a majore ad minus’ ableitet. Die Zielrichtung dieses Artikels der Verordnung ist klar: es soll das statutarische Leben von juristischen Personen mittels «Remote-Kanälen» ermöglicht werden, dies zum Zweck, physische Versammlungen zu vermeiden, aber zugleich den ‘Normalbetrieb’ der Gesellschaft und der Wirtschaft in dieser traditionellen Jahreszeit der Generalversammlungen soweit als möglich aufrecht zu erhalten.

Aus einer juristischen Beurteilung spricht nichts dagegen, Art. 6a der COVID-19-Verordnung 2/16.03.2020 auf sämtliche juristische Personen und Personengemeinschaften anzuwenden, wo bislang die Anwesenheitsverhandlung traditionelles Erfordernis war.

Was gibt es zu beachten, damit diese willkommene Modernisierung des Versammlungsrechts nicht zu ungewünschten Resultaten führt und in Gerichtsverfahren endet:

  1. Die Ankündigungsfristen von Art. 6 Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2/16.03.2020 sind einzuhalten.

  2. Die eingesetzten Mittel sollen der Ermöglichung der Teilnahme dienen, nicht der Selektion und Manipulation des Ergebnisses. Sie sollen daher den vernünftigerweise zu erwartenden Möglichkeiten der Berechtigten entsprechen: es dürfen also z.B. keine elektronischen Kommunikationsplattformen eingesetzt werden, wenn bekannt und offensichtlich ist, dass die Berechtigten kaum IT-affin sind.

  3. Es sollen, wenn immer möglich, alternative Möglichkeiten parallel eingesetzt werden. Also z.B. Vollmachterteilung an einen Stimmrechtsvertreter (mit Instruktionsmöglichkeit), zugleich Teilnahme per Videokonferenz und per Telefonkonferenz.

  4. Die Quoren sind sicherzustellen: es ist im Protokoll zu dokumentieren, wer auf welchem Weg teilgenommen hat und ob (und wann) Berechtigte allenfalls aus der Versammlung ausgeschieden sind. Für eine ordnungsgemässe Durchführung ist vom VR/Vorstand technische Unterstützung durch Dritte in Anspruch zu nehmen.

  5. Die Berechtigten müssen vorweg über die Unterlagen verfügen, die für eine Entscheidungsfindung erforderlich sind.

  6. Die Durchführungsmodalitäten müssen vorweg detailliert in einem formellen (Zirkular-)-Beschluss des VR/Vorstands beschlossen werden, und die von den Statuten abweichenden Modalitäten der Durchführung der Versammlung (wie auch der Einladung dazu) müssen im Protokoll im Einzelnen und unter Bezugnahme auf die COVID-19-Verordnung 2/16.03.2020 festgehalten werden.

  7. Die von den Statuten abweichenden Durchführungsmöglichkeiten sollen nur schonend eingesetzt werden und mit dem Ziel, den Minimalbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Mitwirkungsrechte der Berechtigten dürfen nicht unbillig beschnitten werden: abgesehen von den allenfalls nach wie vor erforderlichen Beurkundungsvorschriften, dürfen also keine überraschenden, weitreichenden oder anderweitig unübersehbaren Traktanden zur Abstimmung gebracht werden. Im Zweifelsfall sind nur die wirklich zwingend erforderlichen Traktanden einer ordentlichen Generalversammlung so zur Beschlussfassung zu bringen.

  8. Es wäre unseres Erachtens allzu weit gegriffen, an solchen Versammlungen direkt Statutenänderungen zur Abstimmung zu bringen, welche eine ständige Einführung dieser Einladungs- und Beschlussfassungsmodalitäten beinhalten. Die COVID-19-Verordnung 2/16.03.2020 ist ‘Notrecht’ und soll den Weiterbetrieb in einer aussergewöhnlichen Lage ermöglichen.

Den bewährten Grundsatz von “No Surprises” befolgen und Transparenz schaffen.
— RA Balthasar Wicki

Unsere Spezialisten stehen allen Verantwortlichen gerne zur Verfügung, um Sie im Einzelfall zu beraten und bei der Planung und Durchführung von Versammlungen zu unterstützen.


Gerne können Sie sich bei Fragen an Balthasar Wicki wenden.