Was tun bei Abmahnungen und Unterlassungserklärungen aus Deutschland?

Abmahnungen mit der Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie Zahlung von Anwaltskosten und Schadenersatz sind in Deutschland ein zulässiges Mittel, um diverse Rechtsverletzungen aussergerichtlich zu verfolgen: Zum Beispiel Persönlichkeitsrechtsverletzungen, unwahre Behauptungen, Urheberrechtsverletzungen, Markenverletzungen, unlauterer Wettbewerb. Gerade bei Schweizer Webseiten besteht die Gefahr einer Abmahnung nach deutschem Recht, wenn die Webseite in Deutschland abrufbar ist und/oder seine Waren oder Dienstleistung auf dem deutschen Markt anbietet. Fragen und Antworten sowie das richtige Vorgehen erläutern wir Ihnen in unserem Beitrag.

Auf welchen Rechtsgrundlagen beruht die Abmahnung?

Die Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beruht auf deutschen Rechtsgrundlagen. Neben der Unterlassung werden, in der Regel durch eine Anwaltskanzlei, Ansprüche auf Beseitigung, Schadenersatz und Erstattung der Anwaltskosten der Abmahnung geltend gemacht:  

  • Urheberrecht: Nach § 97a Abs. 1 UrhG (D) soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und der Verletzer den Streit durch Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vereinbarung einer angemessenen Vertragsstrafe beilegen.

  • Persönlichkeitsrecht: Bei unwahren Tatsachenbehauptungen ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB, bei Verletzung einer strafgesetzlichen Norm auch aus § 823 Abs. 2. und § 1004 BGB i.V.m. § 185 ff. BGB.

  • Markenrecht: Nach § 14 Abs. 5 MarkenG (D) kann der Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr den Verletzer auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

  • Unlauterer Wettbewerb: Nach § 13 Abs. 1 UWG (D) soll der Berechtigte den Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, durch Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vereinbarung einer angemessenen Vertragsstrafe den Streit beizulegen.

Die Beispiele für Rechtsverletzungen sind vielfältig,:

  • Urheberrecht:

    • Nutzung fremder Fotos, dazu zählt z.B. auch das unerlaubte Bearbeiten, Vervielfältigen oder Nutzen auf kommerziellen Webseiten

    • Nutzung von Musik oder Videoinhalten

    • Verwendung von Logos oder Gestaltungen

    • Nichtbeachtung der Lizenzbedingungen, z.B. Creative Commons (CC) License bei frei verfügbaren Bildern

    • Verwendung von fremden Webseite-Inhalten oder Gestaltungen

    • Verwendung fremder Schriften

  • Persönlichkeitsrecht:

    • unwahre Behauptungen in sozialen Netzwerken oder auf Webseiten;

    • Verletzung der Privat- und Intimsphäre z.B. durch Veröffentlichung privater oder höchstprivater Fotos oder Videos

    • Verletzung der Rechte an gesprochenem Wort

    • Recht der informationellen Selbstbestimmung, u.a. auch Einhaltung des Datenschutzes (*)

  • Markenrecht

    • Verwendung des Logos einer fremden Marke

    • Erwähnung der Marke eines anderen, z.B. beim Onlineshop

    • Benennung von eigenen Produkten nach bekannten Markennamen

    • Nutzung von Bildnissen mit fremden Marken

  • Wettbewerbsrecht

    • Verwendung eines unvollständigen Impressums, fehlende Pflichtangaben im Impressum

    • Fehlerhafte AGB im Webshop oder auf der Webseite

    • Unerlaubte Werbung oder Verwendung von Fotos

(*) Dazu hatte kürzlich das Landgericht München (Urteil vom 20. Januar 2022, Az. 3 O 17493/20) einer Klage auf Unterlassung und Schadenersatz stattgegeben, weil auf der vom Kläger besuchten Webseite sog. Google-Fonts durch Download vom Server eingebunden waren und dadurch die dynamische IP-Adresse des Webseitennutzers ohne Einwilligung an Google übermittelt wurde. Es wurden EUR 100 Schadenersatz zugesprochen. Denkbar sind solche Abmahnungen nicht nur wegen Google-Fonts, sondern auch wegen Einbindung anderer Webdienste ohne Zustimmung des Nutzers.  

Warum erfolgt die Abmahnung durch eine Rechtsanwaltskanzlei?  

Die Abmahnung durch eine Rechtsanwaltskanzlei erfolgt aus diversen Gründen: Zum einen sind bei einer Abmahnung formale Anforderungen zu erfüllen, andernfalls kann die Abmahnung unwirksam sein. Zum anderen sind Abmahnungen für die eingeschalteten Anwälte ein lukratives Geschäft. Die Anwaltsgebühren berechnen sich bei den gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (D), welches als Berechnungsgrundlage für die Gebühren auf den Streitwert abstellt.

Liegt der Streitwert für die Urheberrechtsverletzung eines Bildes bei EUR 5'000 bis EUR 7'000, fallen über EUR 700 Rechtsanwaltskosten an. Bei einem Streitwert von EUR 25'000 für z.B. eine markenrechtliche Angelegenheit, sind es fast EUR 1'400 Anwaltskosten.

Einige Kanzleien haben sich auf Abmahnungen fokussiert, d.h. es werden gezielt Rechtsverletzungen gesucht, um diese abzumahnen. Gerade bei massenhaften Abmahnungen nennen einige das auch "Abzockerei" oder "Abmahnindustrie", da nicht die Beseitigung der Rechtsverletzung im Vordergrund steht, sondern die Durchsetzung von Gebühren.

Abmahnungen können aber auch von Interessen- oder Verbraucherschutzverbänden erfolgen, die sich teilweise auf die Einhaltung von Markt- oder Verbraucherschutzregelungen spezialisiert haben.  

Warum kann gegenüber Schweizer Webseitenbetreibern mit deutschem Recht und deutschen Gebühren abgemahnt werden?

Ist die Webseite in Deutschland abrufbar, gelten die deutschen bzw. europäischen Bestimmungen z.B. im Hinblick auf das Impressum oder die Datenschutzerklärung. Das Urheberrecht endet auch nicht an der Landesgrenze: Wer Fotos und Bildnisse verwendet, muss sich über den Geltungsbereich der Nutzungslizenz informieren. Die Ermittlungen der Streitwerte, Anwaltskosten und Schadenersatz ergibt sich nach dem Recht des Staates, in denen der Verletzte seinen Sitz hat bzw. dessen Rechte verletzt sind, hier also Deutschland. 

Und natürlich ist es heute viel einfacher, Abmahnungen grenzüberschreitend zu platzieren, allein weil durch E-Mail die Kommunikationswege deutlich einfacher sind.

Was kann man bei einer Abmahnung tun? Unsere 5 wichtigsten Hinweise

  1. Unterlassungserklärung genau prüfen: Auch wenn eine kurze Frist gesetzt wurde, unterschreiben Sie keine Unterlassungserklärung ohne vorherige rechtliche Überprüfung. Oftmals sind vom Abmahner gefasste Unterlassungserklärungen viel zu weit gefasst oder die Vertragsstrafe ist unangemessen. Eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung ist 30 Jahre gültig. Daher: Nie ohne anwaltliche Prüfung unterzeichnen.

  2. Nicht telefonieren: Es ist nach meiner Erfahrung wenig erfolgversprechend, den Anwalt des Abmahners anzurufen. Erstens gibt man eventuell Umstände zu, die sich nachteilig auswirken oder zu einer weiteren Abmahnung führen. Zweitens wird und darf der Gegenanwalt Sie auch nicht beraten. Er wird Ihnen daher keine förderliche Lösung anbieten. Das macht nur Ihr eigener Anwalt.

  3. Innerhalb der Frist reagieren: Oftmals werden kurze Fristen zur Reaktion gesetzt, teilweise nur wenige Tage. Wegen der Eilbedürftigkeit ist das zulässig, da bei Fristablauf das gerichtliche Verfahren eingeleitet werden kann. Wer nicht reagiert, riskiert ein Gerichtsverfahren auf Unterlassung und Schadenersatz in Deutschland. Hinzu kommen Gerichtskosten und Ärger. Innerhalb der gesetzten Frist sollte daher reagiert werden, ggf. durch Antrag auf Fristverlängerung für einige Tage. Innert dieser Zeit können Sie einen Anwalt aufsuchen.

  4. Abmahnung prüfen: Eine Abmahnung muss diversen formellen Anforderungen genügen. Auch müssen die Anwaltskosten und der Schadenersatz zutreffend beziffert werden. Ist die Abmahnung unberechtigt, kann der Abgemahnte z.B. Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten geltend machen (§ 97a Abs. 4 UrhG). Ist die Abmahnung fehlerhaft, besteht keine Erstattungspflicht. Mit Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung wird eine korrigierte Abmahnung verhindert.

  5. Keine Angst haben: Auch wenn eine Abmahnung aus einem anderen Land erstmal bedrohlich wirkt, auch dort gelten einzuhaltende Gesetze. Vielfach gelingt es mit anwaltlicher Hilfe, die Abgabe einer Unterlassungserklärung zu vermeiden, Geldzahlungen zu reduzieren oder gar eine Abmahnung vollständig zurückzuweisen.

Last but not least: Wie gehen Schweizer Gerichte mit Abmahnungen um?

Teuer wurde eine Abmahnung für einen deutschen Fotografen, der die Verwendung von Fotos gegenüber einer in Zürich ansässigen Aktiengesellschaft abmahnte. Die Fotos waren unter einer sogenannten "Creative Commons License" nutzbar, die Aktiengesellschaft nutzte diese aber ohne Urheber- und Lizenzangabe. Die Aktiengesellschaft gab zwar die geforderte Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber die Zahlung des Schadenersatzes und der Anwaltskosten und erhob schliesslich negative Feststellungsklage vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich (Geschäftsnummer: HG180107-O).

Die Klage in der Schweiz war nach dem Luganer Übereinkommen zulässig erhoben, das kantonale Handelsgericht ist für Streitigkeiten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum zuständig. Anwendung fand vorliegend deutsches Urheberrecht.

Auch aus (allfälligen) fehlenden Verlinkungen kann dem Beklagten kein Schaden
entstanden sein, da solche elektronische Verweise lediglich zu weiteren kostenfreien Lichtbildern des Beklagten geführt hätten. Mit anderen Worten sind entgangene Folgeaufträge vorliegend nicht ersichtlich.
— Handelsgericht Zürich, HG180107-O vom 6. Mai 2020, E. 2.5.4. S. 25

Dem beklagten Fotografen gelang es im Prozess nicht, konkrete Anhaltspunkte für die Schadensberechnung oder die Umstände für den Eintritt des Schadens darzulegen und scheiterte an dem Darlegungs- und Beweiserfordernis. Die Erstattung der Anwaltskosten wurde vom Handelsgericht ebenfalls abgewiesen, da die Abmahnung keine konkreten Ausführungen zur Verletzungshandlung und dem verletzten Recht enthielt und damit nicht substantiiert genug war.

Fazit

Die Aktiengesellschaft schuldete dem Beklagten weder Schadenersatz noch Anwaltskosten. Zudem musste der Beklagte die Gerichtskosten von CHF 1'500 übernehmen. Nach deutschem Substantiierungsvorstellungen hatte der Beklagte wohl ausreichend vorgetragen; dem Handelsgericht genügte das aber nicht. Hätte ein deutsches Gericht über den Anspruch entschieden, wäre das Urteil vermutlich nicht so glücklich zugunsten der Aktiengesellschaft ausgegangen.

Update 21. Oktober 2022: Abmahnungen Google-Fonts

Aktuell gibt es in Deutschland eine sog. “Abmahnwelle” wegen dynamischer Nutzung von Google-Fonts-Schriften. Dynamisch heisst, dass die Schriften vom Google-Server abgerufen werden und damit eine Übertragung der IP-Adresse als personenbezogene Daten in die USA erfolgt, ohne dass eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Nachdem das LG München (Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20) Schadensersatz von 100 EUR wegen "Unwohlsein" der Übermittlung der IP-Adresse bei Abruf von Google-Fonts vom Server des Internetgiganten (dynamische Einbindung) zugesprochen hat, werden massenhaft Webseitenbetreiber abgemahnt. Auch Schweizer Webseitenbetreiber können abgemahnt werden.

Was ist zu tun:
1. Die Google-Fonts sollten lokal auf dem Webserver zum Abruf durch die Webseite bereitgestellt werden (statt Download vom Google-Server)
2. Passen Sie ihre Datenschutzerklärung und Einwilligungserklärung an, wenn Sie weiterhin dynamisch die Schriften vom Google-Server downloaden wollen.
3. Eine Unterlassungserklärung sollte nie vorschnell unterschrieben werden, denn diese ist 30 Jahre wirksam. Lassen Sie durch einen Anwalt eine Abmahnung prüfen und die Unterlassungserklärung ändern (wenn diese überhaupt abgegeben werden soll).

Aktuelle Empfehlung von Kollegen aus dem IT-Bereich ist, in keinem Fall die geforderten Beträge zwischen 100 - 300 EUR zu zahlen und die Abmahnschreiben unberücksichtigt zu lassen. Dieser Empfehlung schliessen wir uns mit Stand heute an.

Denn fraglich ist, ob die Gerichte diesen Weg der "Massenabmahnung" mitgehen und einen Schadensersatz zusprechen. Denn
(i) wer in Kenntnis der Nutzung von dynamischen Google-Fonts eine Webseite besucht, dürfte sich kaum "Unwohl" fühlen,
(ii) wer bewusst Webseiten nach dynamischer Einbindung von Google-Fonts aufsucht um diese dann kostenpflichtig abzumahnen, dürfte rechtsmissbräuchlich handeln,
(iii) die betroffene Person müsste nachweisen, die Webseite auch tatsächlich aufgerufen zu haben und nicht nur einen sog. Crawler oder automatisiertes Programm genutzt zu haben.

Wird ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch gefordert, kann sich der Anspruch aus Art. 15 DSGVO ergeben und müsste (eigentlich) erfüllt werden. Fraglich ist jedoch auch hier, ob die Aufsichtsbehörden massenhaft gegen Empfänger der Abmahnungen vorgehen werden, wenn die Auskunft nicht erteilt wird und die Abmahnungen wie dargestellt rechtsmissbräuchlich sein könnten.


Sollten Sie eine Abmahnung erhalten haben, unterstützen wir Sie gerne bei der Beratung und Rechtsverteidigung. Wenden Sie sich dazu gerne an Sven Kohlmeier. Als deutscher Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht hat er professionelle Erfahrung im Umgang mit Abmahnungen aus Deutschland und kann Sie umfassend beraten.