Aktienrechtsrevision | Teil 3: Die Stärkung von Aktionärsrechten
Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelreihe mit einer Zusammenfassung der “Aktienrechtsrevision (voraussichtlich in Kraft ab 1.1.2023)”. Wir werden geänderte Teile der Revision beleuchten und die mögliche Auswirkungen für die Praxis skizzieren.
Eines der Hauptziele der Aktienrechtsrevision sind nach wie vor die Verbesserung und Modernisierung der Vorschriften betreffend Corporate Governance von Schweizer Gesellschaften. Insbesondere die Stärkung des Schutzes von Minderheitsaktionären wurde bei der Revision des Aktienrechts berücksichtigt (Botschaft Aktienrecht 2007, S. 1606 f.). Die wichtigsten Punkte sind unseres Erachtens folgende:
Auskunfts- und Einsichtsrecht
Nach geltendem Recht können die Aktionäre einer Aktiengesellschaft bloss an der Generalversammlung vom Verwaltungsrat Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen (Art. 697 Abs. 1 OR), sofern diese zur Ausübung von Aktionärsrechten erforderlich sind und keine schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft entgegenstehen (Art. 697 Abs. 2 OR). Die Auskunft kann den Aktionären ohne weitere Begründung verweigert werden. Ist das ungerechtfertigterweise der Fall, greift als letzte Kontrollinstanz das Gericht – dieses kann die Auskunft oder Einsicht auf Antrag der Aktionäre anordnen (Art. 697 Abs 4 OR).
Neu können Aktionäre von Gesellschaften, welche nicht an einer Börse kotiert sind, vom Verwaltungsrat jederzeit schriftlich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft oder Einsicht in die Geschäftsakten verlangen. Dies zumindest dann, wenn sie zusammen oder allein mindestens fünf Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten (Art. 697 Abs. 2 und Art. 697a Abs. 1 revOR). Auch hier gilt die Einschränkung, dass die Auskunft der Ausübung von Aktionärsrechten dienen muss und Geschäftsgeheimnisse oder andere vorrangige Interessen der Gesellschaft vorgehen. Eine Verweigerung der Auskunft muss jedoch neu vom Verwaltungsrat schriftlich begründet werden (Art. 697 Abs. 4 und Art. 697a Abs. 3 revOR). Bei einer ungerechtfertigten Verweigerung kann wie bis anhin das Gericht für beide Begehren zum Entscheid beigezogen werden.
Bei Publikumsgesellschaften wurde das jederzeitige Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter nicht vorgesehen, da kotierte Unternehmen zusätzlich den strengen Informationspflichten des Börsenrechts unterliegen und das Informationsrecht der Aktionäre in diesem Rahmen bereits gewährleistet ist (z.B. Ad-hoc Publizität gemäss Art. 53 des Kotierungsreglement der SIX; Botschaft Aktienrecht 2007, S. 1708).
Recht auf Einberufung der Generalversammlung und Traktandierungsrecht
Die Einberufung der Generalversammlung kann nach geltendem Recht von einem oder mehreren Aktionären, die zusammen mindestens 10 % des Aktienkapitals vertreten, verlangt werden. Aktionäre, die Aktien im Nennwert von 1 Mio. Franken vertreten, oder mindestens 10 % des Aktienkapitals, können die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR; BGer, 27.11.2015, 4A_296/2015, E. 2.3).
Neu wird der Schwellenwert für die Einberufung der Generalversammlung für Publikumsgesellschaften tiefer angesetzt. Aktionäre können, sofern sie zusammen mindestens 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen, die Einberufung der Generalversammlung verlangen. Bei Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind, bleibt es bei 10 % des Aktienkapitals oder der Stimmen (Art. 699 Abs. 3 revOR).
Die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen können Aktionäre verlangen, sofern sie zusammen mindestens über eine der folgenden Beteiligungen verfügen:
in Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind: 0.5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen;
in Gesellschaften, deren Aktien nicht an einer Börse kotiert sind: 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen (Art. 699b Abs. 1 revOR).
Weitere Änderungen
Neben den angesprochenen Punkten wurden auch die Schwellenwerte zur gerichtlichen Einleitung einer Sonderuntersuchung durch Aktionäre von Publikumsgesellschaften verringert, nämlich auf neu mindestens 3 % des Aktienkapitals (Art. 697d revOR, anstelle von 10 % gemäss geltendem Recht, Art. 697b Abs. 1 OR). Auch die Hürde zur Klage auf Auflösung der Gesellschaft beim Gericht wurde gesenkt: Aktionäre, die neu einzeln oder zusammen mindestens 10 % des Aktienkapitals vertreten, können die Auflösung aus wichtigen Gründen verlangen (Art. 735 Abs. 1 Ziff. 4 revOR, bisher nur Aktionäre, die zusammen 10 % des Aktienkapitals vertreten gemäss geltendem Recht, Art. 736 Ziff. 4 OR).
Das neue Aktienrecht stärkt die Rechte von (Minderheits-)Aktionären und erleichtert deren Ausübung. So können die Aktionäre besser abschätzen, wann und ob spezifische Massnahmen zum Schutz der Gesellschaft eingeleitet werden müssen, insbesondere deren gerichtliche Durchsetzung. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftsinternen Transparenz und insbesondere einer modernen Corporate Governance zu begrüssen.
Unsere Handlungsempfehlungen
Wir empfehlen Ihnen, sich diese Neuerungen im Aktionärsrecht durchzudenken und bei Handlungsbedarf sich an einen Experten oder eine Expertin zu wenden. Gerne helfen wir Ihnen dabei, Ihre Anliegen durchzusetzen.
Haben Sie Fragen zur Aktienrechtsrevision 2023? Wenden Sie sich gerne an Balthasar Wicki oder Sebastian Wälti.