Arbeitsrechtliche Gedanken zum Homeoffice in Zeiten von COVID-19 in der Schweiz
In der Regel ist der Arbeitnehmer weder verpflichtet noch berechtigt im Homeoffice zu arbeiten. Dieser Beitrag richtet sich an Schweizer Betriebe, welche noch keine Regelungen bezüglich der Arbeit im Homeoffice haben, aber jetzt kurzfristig die Arbeit von zuhause ermöglichen wollen und dabei rechtliche Stolperfallen vermeiden möchten.
Nachfolgend wird zuerst auf die aus rechtlicher Sicht zu regelnden Aspekte eingegangen und in einem zweiten Teil wird erklärt, wie eine temporäre und pragmatische Regelung mit minimalem Aufwand geschaffen werden kann.
Rechtliche Risiken
Vertragliche Regelung
Grundsätzlich wäre es möglich, den Umfang und die Regeln betreffend Homeoffice im Arbeitsvertrag festzuschreiben. In den wenigsten Fällen wird dies so gehandhabt. Allenfalls wird der Umfang – bspw. Anzahl Tage – darin geregelt, aber für die Details bietet sich eher eine allgemeine als eine individuelle Regelung an. Leider wird öfter ganz auf allgemeine Regelungen verzichtet. Keine Regelung, also lediglich eine Duldung, ist eine schlechte Lösung, da dies grosses Konfliktpotenzial birgt («bis anhin durfte ich das doch auch» oder «weshalb darf mein Kollege ins Homeoffice und ich nicht»). Um transparente und allgemeine Regelungen zu schaffen, ist es sinnvoll entweder das Personalreglement zu ergänzen oder ein eigenes Homeoffice Reglement zu schaffen. Die Regelungen sollten festhalten, welche Mitarbeiter grundsätzlich im Homeoffice arbeiten dürfen und welche Arbeiten im Büro zu erledigen sind. Es ist klar, dass sich nicht alle Arbeiten für das Homeoffice eignen.
Eine Pflicht zum Homeoffice muss dagegen mit der Arbeitnehmerin individuell vereinbart werden und sollte im Arbeitsvertrag festgehalten werden (Ausnahmesituationen vorbehalten).
Infrastruktur
Gemäss Arbeitsrecht hat der Arbeitgeber die notwendigen Arbeitsgeräte zur Verfügung zu stellen. Im Homeoffice kann jedoch schnell eine Vermischung zwischen privater und geschäftlicher Nutzung stattfinden. Es ist daher zu regeln, welche IT–Mittel für die Arbeit im Homeoffice zur Verfügung stehen und wie diese genutzt werden dürfen. Dies ist auch aus lizenzrechtlichen Gründen relevant, da allenfalls private Geräte keine Nutzungsrechte haben oder für jedes Gerät eine entsprechende Lizenz gelöst werden muss. Dies ist daher unbedingt zu prüfen. Am relevantesten sind aber sicherlich Geheimhaltungs-, Sicherheits- und Datenschutzüberlegungen. Es muss sichergestellt sein, dass die Geschäftsdaten beim Unternehmen verbleiben und nicht plötzlich auf privaten Rechnern landen.
Besteht bereits eine BYOD Regelung (“Bring Your Own Device”), kann allenfalls auf diese zurückgegriffen werden.
Kristin Reinbach gibt in ihrem Beitrag gute Hinweise zu möglichen Software Tools fürs Homeoffice.
Zur Infrastruktur gehört auch ein entsprechender Arbeitsplatz. Die Erlaubnis für Homeoffice könnte daher davon abhängig gemacht werden, dass ein entsprechender Arbeitsplatz (ergonomischer Stuhl, Tisch, Licht, etc.) vorhanden ist. Im Zweifel kann sich der Arbeitgeber dies durch Fotos bestätigen lassen. Des Weiteren sollte vereinbart werden, dass den Inspektoren der kantonalen Industrie- und Gewerbeaufsicht ein Prüfungsrecht eingeräumt wird (Prüfung Einhaltung ArG).
Auf 20min finden sich ein paar einfache Hinweise für ein schmerzfreies Home Office.
Ausserdem finden sich hier noch einige allgemeine Hinweise zu Gesundheitsmassnahmen im Home Office.
Auslagenersatz
Sofern der Arbeitnehmer nur dazu berechtigt ist, von Zuhause zu arbeiten, hat er auch keinen Anspruch auf Auslagenersatz (bspw. Strom, Druckerpatronen, etc.). Er könnte ja im Betrieb arbeiten. Es sollte aber auf jeden Fall dazu eine Regelung getroffen werden. Wird der Arbeitnehmer vertraglich dazu verpflichtet, im Homeoffice zu arbeiten, sind die Auslagen zwingend zu regeln.
Zeiterfassung
Das Arbeiten im Homeoffice ist immer auch eine Vertrauenssache. Private und berufliche Tätigkeiten können sich schnell vermischen (bspw. nebenher Wäsche waschen). Die Pflicht zur Zeiterfassung gilt aber auch im Homeoffice. Der Arbeitgeber kann nicht darauf verzichten, da das Arbeitsgesetz (ArG) vollumfänglich anwendbar bleibt. Strikte Arbeitszeiten werden aber wohl kaum sinnvoll sein. Sinnvoller wird es sein – wie bei Gleitarbeitszeit – gewisse Präsenzzeiten zu vereinbaren, dies stellt die Erreichbarkeit sicher und vereinfacht die Einhaltung des Arbeitsgesetzes. Die Arbeitnehmer sind zudem darauf aufmerksam zu machen, dass die Arbeit innerhalb von 14 Stunden erledigt werden muss und das Nachtarbeitsverbot nicht gebrochen werden darf.
Die Möglichkeit einer flexiblen Arbeitszeiteinteilung schafft zudem eine bessere Vereinbarkeit mit den Betreuungspflichten.
Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Bei Grenzgängern sind unbedingt die steuerrechtlichen sowie sozialversicherungsrechtlichen Aspekte zu beachten. Wird ein wesentlicher Teil der Arbeit von zuhause erledigt, könnte der Arbeitnehmer plötzlich dem Recht des Wohnorts unterstehen und somit nicht mehr dem Schweizer Recht.
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten
Bei längerfristigen und überwiegendem Homeoffice gilt es zu beachten, dass der gewöhnliche Arbeitsort plötzlich am Wohnort des Arbeitnehmers liegen könnte, was dazu führen würde, dass arbeitsrechtliche Streitigkeiten am Wohnort (gewöhnlichen Arbeitsort) eingeklagt werden können.
80/20 Ansatz (temporäre Homeoffice-Regelung)
Das COVID-19 hat den Geschäftsbetrieb schon genügend durcheinandergewirbelt und da bleibt nicht noch viel Zeit, um ein umfassendes Homeoffice Reglement zu verfassen. Wie lässt sich also eine pragmatische Regelung schaffen?
Als erstes sollte geprüft werden, welche arbeitsrechtlichen Regeln bereits bestehen. In den meisten Fällen wird ein Personalreglement und IT – Reglement vorhanden sein.
Es ist nur das Wichtigste zu regeln. Anstelle eines detaillierten Homeoffice Reglements, kann man die wichtigsten Punkte auf 1-2 A4 Seiten festhalten.
Die Regelung sollte zeitlich auf die COVID-19 Situation begrenzt werden, inkl. einseitiger Aufhebung durch den Arbeitgeber.
Es gilt folgende minimale Punkte zu regeln:
Wer darf, kann oder wer muss jetzt ins Homeoffice?
Regelung einer Alternativlösung, wenn kein Arbeitsplatz Zuhause besteht.
Koordination bezüglich Präsenzzeiten im Büro (bspw. Besetzung Sekretariat, Telefondienst, etc.).
Die Verwendung der IT – Mittel ist zu regeln (bspw. Verwendungspflicht von Geschäftslaptop, VPN oder welche Software genutzt werden soll).
Zeiterfassung sowie Kernarbeitszeiten sind festzulegen, evtl. Pflicht zur Teilnahme an gewissen Online Meetings / Calls.
Aufgrund der Schulschliessung sollten auch die Betreuungspflichten berücksichtigt werden und somit eine gewisse Flexibilität in der Arbeitszeit gewährt werden.
Auslagenersatz: Es muss festgehalten werden, ob Auslagen erstattet werden oder nicht. Hierbei ist bspw. an Telefonate via Handy zu denken.
Solche Regeln stellen eine Ergänzung oder Anpassung des Personalreglements dar und müssen daher den Mitarbeitern vorgängig mitgeteilt werden. Um die Verbindlichkeit aufzuzeigen, ist ein Verweis auf das Personalreglement zudem sinnvoll. Der Arbeitsvertrag muss dafür nicht angepasst werden. Um sicherzustellen, dass jeder die neuen Regelungen kennt, könnte man diese unterzeichnen lassen. Bei Widerspruch sollte man das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen.
Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist es im Moment durchaus gerechtfertigt, Mitarbeiter zu Homeoffice zu verpflichten. Der Arbeitgeber kann sich m.E. auf den Gesundheitsschutz (Art. 6 Abs. 1 ArG) berufen und gestützt auf sein Weisungsrecht (Art. 321d OR) entsprechende Massnahmen, wie Homeoffice einseitig anordnen.
Schlussendlich fordert diese aussergewöhnliche Situation Flexibilität und Kompromissbereitschaft von beiden Seiten.
Dieser Beitrag wurde von RA Yves Gogniat verfasst.
Gerne können Sie sich bei Anliegen an Arife Asipi wenden.