Betreibung auf Konkurs bei öffentlich-rechtlichen Forderungen: Gesetzesänderung seit dem 1. Januar 2025

Mit dem Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses sind am 1. Januar 2025 zahlreiche Änderungen im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) in Kraft getreten. Ziel dieser Revision ist es, Gläubigern wirksamere Mittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfügung zu stellen. Einen Überblick über die wichtigsten Änderungen verschaffen wir in diesem Beitrag.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der jüngsten Gesetzesänderung betreffend die Betreibung auf Konkurs bei öffentlich-rechtlichen Forderungen. Per 1. Januar 2025 wurden Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG aufgehoben. Diese Bestimmungen sahen bislang vor, dass öffentlich-rechtliche Forderungen mit wenigen Ausnahmen nicht auf dem Konkursweg geltend gemacht werden konnten. Stattdessen erfolgte die Vollstreckung regelmässig mittels Betreibung auf Pfändung. Mit der Aufhebung dieser Normen entfällt die bisherige Sonderregelung.

Neu ist es Gläubigern möglich, Unternehmen auch wegen öffentlich-rechtlicher Forderungen, beispielsweise Steuerforderungen, auf dem Konkursweg zu betreiben. Dies stellt eine erhebliche Ausweitung der Konkursbetreibung dar und erhöht insbesondere für Unternehmen mit angespannten Liquiditätsverhältnissen das Risiko, in ein Konkursverfahren zu geraten.

Bevor wir die Gesetzesänderungen erläutern, geben wir einen Überblick über das Betreibungsverfahren (Abschnitt 1) und erklären, was der Unterschied zwischen der Betreibung auf Pfändung und der Betreibung auf Konkurs ist (Abschnitt 2). Ausserdem veranschaulichen wir, welche Schuldner auf Konkurs betrieben werden können und daher von der Gesetzesänderung betroffen sind (Abschnitt 3). Es folgt die Darstellung der Gesetzeslage vor der Änderung (Abschnitt 4) und nach der Änderung (Abschnitt 5). Dann gehen wir auf die Frage ein, welche Forderungen als öffentlich-rechtliche Forderungen gelten und daher von der Änderung betroffen sind (Abschnitt 6). Abschliessend zeigen wir auf, wie Unternehmen auf die Gesetzesänderungen reagieren können (Abschnitt 7).

1.               Wie läuft ein Betreibungsverfahren ab?

Ein Betreibungsverfahren folgt, vereinfacht gesagt, folgendem Ablauf: Wird eine Schuld nicht rechtzeitig beglichen, kann der Gläubiger mit einem Betreibungsbegehren beim zuständigen Betreibungsamt die Betreibung einleiten. Zuständig für die Betreibung ist das Betreibungsamt am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners. Nach Erhalt des Betreibungsbegehren stellt das Betreibungsamt dem Schuldner einen Zahlungsbefehl zu. Der Schuldner hat ab Zustellung des Zahlungsbefehls zehn Tage Zeit, um Rechtsvorschlag zu erheben. Wird ein Rechtsvorschlag erhoben, führt dies zu einem vorläufigen Stillstand der Betreibung.

Der Gläubiger kann anschliessend im Rechtsöffnungsverfahren beantragen, dass der Rechtsvorschlag aufgehoben wird. Das Gericht prüft dabei, ob die Forderung auf einer vollstreckbaren Urkunde oder einem anderen Rechtsgrund beruht. Wird dies festgestellt, wird der Rechtsvorschlag beseitigt und die Betreibung kann fortgesetzt werden. Wurde kein Rechtsvorschlag erhoben oder wurde er per Rechtsöffnung beseitigt, kann der Gläubiger ein Fortsetzungsbegehren stellen. Ob die Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs fortgesetzt wird, richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben. Unternehmen, die gemäss Art. 39 SchKG auf Konkurs betrieben werden können, fallen zwingend in den Konkurs. Für natürliche Personen und andere Schuldnergruppen gilt die Betreibung auf Pfändung, soweit keine gesetzliche Ausnahme besteht.

Unabhängig davon, welcher der beiden Wege eingeschlagen wird, werden im weiteren Verlauf des Verfahrens Vermögenswerte gepfändet und verwertet. Die Reihenfolge der Verwertung richtet sich nach der Verwertbarkeit der Vermögenswerte. Leicht verwertbare Vermögenswerte, wie beispielsweise Guthaben auf Bankkonten, werden zuerst gepfändet. Andere Vermögenswerte, wie beispielsweise teure Möbel, industrielle Maschinen oder Fahrzeuge sind in der Regel schwieriger zu verwerten. Der Erlös aus der Verwertung wird an die Gläubiger verteilt.

2.               Was ist der Unterschied zwischen der Betreibung auf Pfändung und der Betreibung auf Konkurs?

Die Betreibung auf Pfändung und die Betreibung auf Konkurs unterscheiden sich im Wesentlichen im Fortsetzungsverfahren. Die für Unternehmen besonders relevanten Unterschiede betreffen einerseits die Anzahl an pfändbaren Vermögenswerten und andererseits die Frage, ob das Unternehmen seinen Betrieb nach der Verwertung fortsetzen kann.

2.1               Betreibung auf Pfändung

Bei der Betreibung auf Pfändung werden nur einzelne Vermögenswerte gepfändet. Es werden nur so viele Vermögenswerte gepfändet, wie es für die Begleichung der Forderung eines einzelnen Gläubigers nötig ist. Wenn keine Vermögenswerte gepfändet werden können, beispielsweise weil das Betreibungsamt keine wertvollen Maschinen auffindet, wird dem Gläubiger ein Pfändungsverlustschein ausgestellt. Mit diesem kann der Gläubiger den Schuldner erneut betreiben, wenn dieser neue Vermögenswerte erlangt hat. Nach Abschluss der Betreibung auf Pfändung kann das Unternehmen seiner Geschäftstätigkeit weiterhin nachgehen.

2.2               Betreibung auf Konkurs

Bei der Betreibung auf Konkurs fällt das gesamte Unternehmen in den Konkurs. Welche Unternehmen auf Konkurs betrieben werden können, zeigen wir unten in Abschnitt 3 auf. Folge davon ist, dass im Rahmen des Konkursverfahren das Unternehmen aufgelöst wird und alle Vermögenswerte liquidiert werden, auch wenn deren Wert insgesamt viel höher ist als die Höhe der Schuld. Falls nach der Liquidation ein Überschuss verbleibt, wird dieser an die Gesellschafter verteilt. Anschliessend wird das Unternehmen aufgelöst und aus dem Handelsregister gelöscht. Im Unterschied zur Betreibung auf Pfändung wird also bei der Betreibung auf Konkurs das Unternehmen aufgelöst und es werden alle Vermögenswerte liquidiert.

Zusammengefasst kann nach einer Pfändung das Unternehmen seiner Geschäftstätigkeit weiterhin nachgehen, nach einem Konkurs hingegen existiert es in der Regel nicht mehr.


3.               Wer kann auf Konkurs betrieben werden?

Wer auf Konkurs betrieben werden kann, wird in Art. 39 Abs. 1 SchKG geregelt. Es handelt sich dabei immer um Unternehmen bzw. deren Vertreter, die im Handelsregister eingetragen sind.

Natürliche Personen fallen in der Regel nicht unter die Konkursbetreibung, mit Ausnahme der in Art. 39 SchKG genannten Fälle:

  • Inhaber von Einzelfirmen

  • Mitglieder von Kollektivgesellschaften

  • Unbeschränkt haftende Mitglieder von Kommanditgesellschaften (sog. Komplementäre)

  • Mitglieder der Verwaltung einer Kommanditaktiengesellschaft

Folgende Gesellschaftsformen und Organisationen gehören zu den möglichen Konkursschuldnern:

  • Kollektivgesellschaften (KlG)

  • Kommanditgesellschaften (KmG)

  • Aktiengesellschaften (AG)

  • Kommanditaktiengesellschaften (KmAG)

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)

  • Genossenschaften (Gen)

  • Vereine

  • Stiftungen

  • Investmentgesellschaften mit variablem Kapital

  • Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen (KmGK)

Wird eine Betreibung gegen diese Schuldner eingeleitet, so geht diese zwingend auf Konkurs, d.h. es ist keine Betreibung auf Pfändung möglich. Ausnahmen von dieser Regelung finden sich in Art. 43 SchKG. Dort ist geregelt, welche Forderungen nicht mit der Konkursbetreibung vollstreckt werden können, obwohl ein Konkursschuldner vorliegt. Welche Ausnahmen dort bis zur Gesetzesänderung am 1. Januar 2025 geregelt waren, und welche Ausnahmen heute noch gelten, erläutern wir im Folgenden.

4.           Wie lautete die Regelung vor der Gesetzesänderung?

Art. 43 SchKG regelt die Ausnahmefälle, in denen Forderungen nicht auf dem Weg der Konkursbetreibung (Art. 39 SchKG) vollstreckt werden können. Der Wortlaut von Art. 43 SchKG lautete bis zum 31. Dezember 2024 wie folgt:

"Art. 43 (Ausnahmen von der Konkursbetreibung)

Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:

1. Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;

1bis. Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;

2. periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 2004;

3. Ansprüche auf Sicherheitsleistung"

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung verhindern, dass Schuldner aufgrund öffentlich-rechtlicher Forderungen in den Konkurs getrieben werden. Welche Forderungen von Art. 43 Ziff. 1 und Ziff. 1bis erfasst sind, wird unten in Abschnitt 6 erläutert.

5.           Wie lautet die Regelung nach der Gesetzesänderung?

Per 1. Januar 2025 wurden Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG aufgehoben. Damit unterliegen Konkursschuldner nun auch bei öffentlich-rechtlichen Forderungen der Konkursbetreibung. Zweck der Änderung ist, überschuldete Unternehmen in den Konkurs zu zwingen, um zu verhindern, dass sie neue Schulden anhäufen und dadurch weitere Gläubiger schädigen.

Die Folgen der Gesetzesänderung betreffen sowohl Gläubiger als auch Schuldner von öffentlich-rechtlichen Forderungen. Gläubiger von öffentlich-rechtlichen Forderungen sind Beamte und öffentliche Kassen. Diese Gläubiger müssen neu einen Kostenvorschuss für das Konkurseröffnungsverfahren leisten. Ausserdem kann es sein, dass ihre Forderung eine von vielen Forderungen im Verfahren ist und andere Forderungen Vorrang haben. Die Chance, dass der Gläubiger an sein Geld kommt, wird also durch die Gesetzesänderung nicht erhöht.

Die Folgen der Streichung von Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG sind für Schuldner von öffentlich-rechtlichen Forderungen wesentlich relevanter: Bisher wurde bei solchen Forderungen oft ein Pfändungsverlustschein ausgestellt oder es erfolgte eine Pfändung einzelner Vermögenswerte. Dies hatte kaum Auswirkungen auf das Unternehmen oder deren Geschäftstätigkeit. Mit der neuen Regelung kann nun auch wegen öffentlich-rechtlichen Forderungen, die teilweise im Betrag sehr gering sind, der Konkurs eröffnet werden. Diese Folge ist vom Gesetzgeber beabsichtigt. Es wird erwartet, dass angesichts der nun gewichtigeren Konsequenzen die Schuldner eher dazu geneigt sind, ihre Schulden zu bezahlen.

Art. 43 Ziff. 2 und 3 SchKG bleiben weiterhin bestehen. Bei periodischen familienrechtlichen Beiträgen (Ziff. 2) und Ansprüchen auf Sicherheitsleistung (Ziff. 3) kann die Betreibung also weiterhin nur mittels Pfändung oder Pfandverwertung fortgesetzt werden.

6.           Was ist eine öffentlich-rechtliche Forderung?

Es stellt sich die Frage, welche Forderungen als öffentlich-rechtliche Forderungen gelten, d.h. in Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG angesprochen waren und nun mit Betreibung auf Konkurs vollstreckt werden können. Vereinfacht gesagt ist eine öffentlich-rechtliche Forderung eine Forderung, die im öffentlichen Recht begründet wurde und die einen Gläubiger hat, der öffentlich-rechtlich organisiert ist.

Das Gesetz erwähnte in Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG bis zur Änderung folgende Beispiele: Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen, andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte und Prämien der obligatorischen Unfallversicherung.

Davon umfasst waren insbesondere auch AHV-Beiträge; Prämien von öffentlich-rechtlich organisierten Krankenkassen; Prämien der SUVA; Prämien der obligatorischen Feuerversicherung; Kehrichtgebühren; Wasser- und Stromrechnungen von öffentlich-rechtlichen Institutionen und Beiträge für die Insolvenzdeckung an den Sicherheitsfonds BVG. Diese Forderungen konnten vor der Gesetzesänderung nicht auf Konkurs betrieben werden. Mit der neuen Regelung können Unternehmen bei Nichtbezahlung dieser Forderungen in den Konkurs fallen.

Nicht unter die öffentlich-rechtlichen Forderungen im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG fielen insbesondere: BVG-Beiträge (2. Säule), die von privatrechtlichen Stiftungen eingetrieben werden; Prämien von privatrechtlich organisierten Krankenkassen; Forderungen von Swisscom, SBB, Schweizerischer Post und Serafe. Diese Forderungen konnten schon vor der Gesetzesrevision auf Konkurs vollstreckt werden.

7.               Wie können Unternehmen auf die Gesetzesänderung reagieren?

Die Gesetzesänderung verschärft die Konsequenzen bei Nichtbezahlung von öffentlich-rechtlichen Forderungen erheblich. Unternehmen können nun selbst bei vergleichsweise geringen Forderungen in ein Konkursverfahren gezwungen werden, welches die Existenz des Unternehmens gefährdet. Um das Risiko eines Konkurses zu minimieren, sollten Unternehmen die folgenden Massnahmen prüfen und umsetzen:

  1. Fristgerechte Zahlung von öffentlich-rechtlichen Forderungen.

  2. Frühzeitige Kommunikation mit Gläubigern, um das Risiko eines Konkursverfahrens zu minimieren.

  3. Frühzeitige rechtliche Prüfung: Unternehmen, die Anzeichen einer Überschuldung erkennen, sollten frühzeitig rechtliche Beratung einholen, um die Folgen der neuen Regelung abzumildern und mögliche präventive Massnahmen zu prüfen.

 

Bei Fragen zur Betreibung auf Konkurs bei öffentlich-rechtlichen Forderungen und zur Umsetzung der neuen Regelungen im Unternehmenskontext stehen Ihnen Balthasar Wicki, Arife Asipi und Roch Zufferey gerne zur Verfügung.